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Leon

Hallo,

mein Name ist Stefanie. Ich bin Mama von Leon, geboren im Januar 2020.

Leon war ein absolutes Wunschkind. Dadurch, dass ich die Krankheit PCO habe, mussten mein Mann und ich in eine Kinderwunschklinik. Dort wurde dann der Eisprung künstlich ausgelöst. Wir hatten sehr viel Glück und es funktionierte direkt beim 2. Mal.
Als ich wusste, dass wir ein Baby bekommen, war die Freude riesig. Im vierten Monat ging ich direkt ins Berufsverbot und war von da an zu Hause. Die Schwangerschaft verlief soweit problemlos.
Einzig Leon lag immer noch mit dem Kopf oben. Er wollte sich einfach nicht drehen.
Im letzten Drittel der Schwangerschaft spürte ich Leon immer mehr und man sah die Tritte deutlich am Bauch.

So auch am letzten Wochenende im Januar 2020

Am Montag zuvor waren wir im Krankenhaus, um den Termin zum Kaiserschnitt zu besprechen. Dort wurde Leon gemessen und kontrolliert. Bei der Untersuchung war aber alles in Ordnung.
Als wir abends im Bett lagen, war Leon im Bauch sehr ruhig, was mich schon beunruhigte. Zum Glück hatte ich am nächsten Tag noch einen Frauenarzttermin mit einem CTG.
Bei dem Arzttermin wurde ich am CTG angeschlossen, wonach mich der betreuende Arzt zu sich rief und mir sagte, dass die Herztöne des Babys immer runter gingen, sobald ich eine Wehe hatte und es wäre besser, dieses im Krankenhaus kontrollieren zu lassen. Mein Frauenarzt rief auf der Entbindungsstation an und kündigte an, dass ich auf den Weg bin.
Im Krankenhaus angekommen, kam ich sofort in den Kreissaal und bekam direkt wieder ein CTG.
Meine betreuende Hebamme versuchte mich zu beruhigen, da ich nicht wirklich wusste, was gerade passiert und wieso das CTG nicht so sei, wie es sein sollte.
Die Ärzte, die zurzeit auf der Station arbeiten sagten, dass mein Mann kommen soll und es besser wäre, dass wir das Baby holen. Dadurch, dass ich in der Schwangerschaftswoche 36+5 war, sei dies zum Zeitpunkt Ok. Das Baby ist nun komplett entwickelt und man benötigt auch keine Lungenreifespritze mehr.
Sobald mein Mann da war, ging auch alles ganz schnell. Wir wurden umgezogen und ich kam direkt in den OP, wo der Notkaiserschnitt folgte.
Nachdem die Anästhesie mir die Spritze in den Rücken gab, kam mein Mann in den OP und er durfte die ganze Zeit hinter mir stehen.
Als es dann soweit war und Leon von der Nabelschnur getrennt wurde, hört man ihn kurz schreien. Die Hebamme nahm ihn, zeigte ihn kurz und verschwand dann hinter einer Tür.
Die Minuten vergingen und wir hörten nichts. Gar nichts. Ich sagte zu meinem Mann, da stimmt was nicht. Normalerweise müsste er schon längst wieder hier sein. Der Anästhesist sagte uns, dass er noch untersucht wird und wir uns keine Gedanken machen sollen.
Die Ärzte waren dabei, mich wieder zu zunähen und irgendwann kam die Kinderärztin in den OP.
Sie sagte uns, dass es unserem Sohn sehr schlecht ginge. Er musste reanimiert und beatmet werden und er kam danach direkt auf die Intensivstation.
Wir verstanden die Welt nicht mehr.
Mein Mann durfte ihn kurz sehen und kam danach mit einem Bild wieder, damit ich ihn auch sehen konnte.

Durch die Narkose

durfte ich erst zu ihm, sobald ich die Beine wieder spürte. So lange mussten wir im Kreissaal warten.
Nach 2 Stunden warten durften wir endlich auf die Intensivstation. Sie fuhren das Bett in den kleinen Raum, wo der Kleine im Inkubator lag. So viele Schläuche an einem Baby.
Viele Tränen flossen.
Und wir wussten immer noch nicht, was los war.

Die Ärztin erklärte uns,

dass Leon durch den Sauerstoffmangel ein Großteil der linken Hirnhälfte fehlte. Was das für Auswirkungen hat, kann man erst nach einiger Zeit sagen.
Wieso das alles passierte, konnte sie uns nicht sagen.
Am nächsten Tag kam die Kinderärztin schon um 7 Uhr morgens ins Zimmer und teilte uns mit, dass Leon über Nacht krampfartige Bewegungen ausgeführt hatte und sie ihm das Medikament Levetiracetam geben mussten, zur Vorbeugung einer Epilepsie.
In meinem Kopf herrschte Leere. Mein Herz brach in ganz viele kleine Stücke. Der Schmerz war einfach riesig. Dieser kleine Wurm liegt dort auf der Intensivstation und ich liege hier und kann einfach nichts machen. Um sich herum hört man nur Babygeschrei aus anderen Zimmern und ich lag da ohne mein Kind.
Dennoch waren wir dankbar, dass es so tolle Schwestern und Ärzte gab, die gerade dafür kämpften, dass es unserem kleinen Wurm gut geht.
Leon berappelte sich von Tag zu Tag und so kam er nach 3 Tagen vom Inkubator ins Wärmebettchen. Jeden Tag sah man, wie der Kleine zu einem großen Kämpfer wurde.
Nach 3 Wochen Krankenhausaufenthalt durften wir endlich nach Hause.
Dadurch, dass Leon Schlafapnoe hatte, bekamen wir für Zuhause einen Monitor zur Überwachung mit. Die Einweisung erfolgte im Krankenhaus, sowie eine Schulung zu Reanimationsmaßnahmen für den Fall der Fälle.
Aber wieso Leon bei der Geburt das Herz stehen geblieben war, sowie den Sauerstoffmangel hatte, wussten wir immer noch nicht.
Ich forderte mehrere Arztbesuche an und wollte nicht im Unklaren bleiben. Die ersten U-Untersuchungen waren unauffällig und Leon entwickelte sich nach Aussagen der Ärzte normal.
Er bekam jeden Tag sein Medikament - morgens und abends.

Nach langem Betteln

bekamen wir endlich eine Überweisung zum MRT, denn ich wollte wissen, welche Teile im Gehirn wirklich betroffen waren.
Denn nur durch einen Ultraschall am Kopf kann man die Stellen vom Gehirn nicht erkennen.
Leon war mittlerweile 5 Monate und so langsam merkte man die Einschränkungen – gefaustete rechte Hand, überstrecken des Körpers usw.
Wir bekamen direkt ein Gespräch nach dem MRT. Dort wurde der Befund besprochen und der Arzt sagte ganz deutlich, dass es aussieht, als wäre es ein Schlaganfall.
Denn die Hemiparese ist deutlich zu erkennen.
Eine Hemiparese entsteht aufgrund einer Schädigung in der linken oder rechten Gehirnhälfte. Ist eine Schädigung innerhalb der rechten Gehirnhälfte erfolgt, ist die Hemiparese linksseitig, liegt eine Schädigung der linken Gehirnhälfte vor, äußert sich die Hemiparese rechtsseitig. Dies liegt daran, dass die linke Gehirnhälfte in den meisten Fällen für die Steuerung der rechten Körperseite und die rechte Gehirnhälfte für die Steuerung der linken Körperseite zuständig ist. Häufige Ursachen für die zerebrale Schädigung, durch die eine Hemiparese ausgelöst wird, sind Schlaganfälle. So wurde es uns erklärt.
Und das sieht man gut bei unserem Sohn. Denn es ist eine große Narbe in der linken Hirnhälfte zu erkennen.

Ein Schlaganfall bei einem Baby?

Wie ist das möglich? Das bekommen doch nur ältere Menschen dachte ich. Der zuständige Arzt bat uns noch, dass wir bald einen Termin im Gerinnungslabor machen, denn dieses kann auch vererbt werden durch einen Genfehler, das sogenannte Faktor-V-Leiden.
Das Faktor-V-Leiden, auch APC-Resistenz genannt, verursacht eine Erbkrankheit, die die Blutgerinnung stört. Das bedeutet, die Betroffenen haben ein höheres Risiko, eine Thrombose zu bekommen. Verursacht wird die Erkrankung durch eine genetische Mutation am Blutgerinnungsfaktor V.
Dadurch, dass wir das MRT in einem Krankenhaus bekamen, haben wir direkt im Anschluss einen Termin bei einem Osteopathen ausgemacht. Ich hatte gehofft, dass dadurch, dass Leon sich immer überstreckt, er evtl. eine Blockade im Rücken hat und wir die durch den Osteopathen beheben könnten. Aber dem war leider nicht so.
Er sagte mir ganz deutlich, dass wir schon sehr viel Zeit verloren haben und wir eigentlich direkt aus der Entlassung im Krankenhaus mit Physiotherapie hätten beginnen müssen.
Das Krankenhaus, in dem ich entbunden habe, schickte uns eine Anmeldung zur Frühförderung zu. Aber dieser Antrag zog sich leider in die Länge.
Danach haben wir uns von der Kinderärztin ein Rezept für Physiotherapie geben lassen, welche wir vorübergehend machen konnten. Die Physiotherapie sollte aber auf Vojta spezialisiert sein, sagte uns der Osteopath damals.
Die Vojta-Therapie ist eine physiotherapeutische Behandlungsmethode bei Störungen des zentralen Nervensystems und des Haltungs- und Bewegungsapparates.

Zweimal die Woche

bekam Leon Vojta – die Hölle für jede Mutter, denn das Kind schreit und weint und wehrt sich. Die Übungen wurden zuhause weiter ausgeübt und wir merkten schnell eine Verbesserung der Spastik in seinem rechten Arm.
Dadurch, dass man jetzt weiß, es könnte ein Schlaganfall gewesen sein, schaut man im Netz nach und liest sich Berichte durch.
Wir sind auf der SCHAKI-Seite gelandet.
Diese hat auch eine Facebook-Gruppe, wo wir dann viele Berichte von Eltern gelesen haben, die ähnliche Schicksale erleben mussten wie wir.
Viele schrieben, dass sie in Behandlung bei Dr. Sträter in Münster waren und sie diesen Arzt sehr empfehlen. Ich als Mama, die eine Erklärung möchte und sich nicht so schnell abspeisen lässt, machte dort direkt einen Termin zum Erstgespräch für unseren Sohn.
Dort bekamen wir dann im September 2020 einen Termin.
In der Zwischenzeit wurde die Frühförderung für Leon bewilligt und wir bekamen dort dann 2-mal die Woche Physiotherapie sowie Heilpädagogik. Am Anfang wurde die Therapie mit Vojta weiter durchgezogen, bis ich es nicht mehr konnte. Den Schmerz, den ich fühlte, zuzusehen, wie mein Kind sich bei den Übungen quält, konnte ich mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren.
Nach einem ehrlichen Gespräch mit der Physiotherapeutin mit der Erklärung, wie ich mich fühlte und dass wir eine Alternative benötigen, änderten wir das Konzept und machen seit dem Bobath.
Das Bobath-Konzept ist ein problemlösender Ansatz in der Befundaufnahme und Behandlung Erwachsener und Kinder mit neurologischen Erkrankungen. Insbesondere nach einem Schlaganfall bei halbseitig gelähmten Menschen.
Durch die Schlaganfallgruppe bekommt man sehr viele Tipps, die man so gar nicht hätte wissen können. Wir beantragten eine Pflegestufe für Leon und einen Schwerbehindertenausweis.

Es standen monatlich

viele Arzttermine für den Kleinen an.
Wir haben einen tollen Neurologen für Leon gefunden, wo wir regelmäßig ein EEG machen lassen, welcher auch unseren Monitor auswerten kann.
Der Neurologe kontrolliert, ob es nachts Apnoen oder Anfälle gab.
Meistens schlägt der Monitor aus, wenn die Sensoren nicht richtig kleben oder ein Stecker nicht richtig steckte. Wir waren dankbar, dass wir diese Überwachung hatten, dennoch ist es Fluch und Segen zugleich.
Leon schläft bei uns im Zimmer und auch zwischenzeitlich bei uns im Bett. Die Kabel liegen dann einmal quer im Bett und man muss immer schauen, dass man diese nicht berührt.
Der Neurologe sagte, dass er keine Auffälligkeiten mehr sieht und wir das Medikament ausschleichen könnten.
Das Medikament bekam Leon zuletzt im September und er hatte seitdem keine Anfälle mehr. Toi, toi, toi.
Im September stand auch der Besuch bei Dr. Sträter in der Uniklinik Münster an.
Dr. Sträter bekam unsere Unterlagen, die wir mitgebracht hatten. Er erklärte uns das MRT-Bild, sowie das Blutbild von Leon, welches im Gerinnungslabor gemacht wurde.
Darauf ist ganz klar zu erkennen, dass es ein Schlaganfall war. Zu sehen ist eine Narbe auf der linken Hirnhälfte. Dr. Sträter sagte, dass ein erwachsener Mensch mit dieser Folge die komplette rechte Seite nicht mehr bewegen könnte und somit gelähmt wäre.

Leon kann aber alles bewegen,

er ist ein kleiner Kämpfer.
Durch das Training zu Hause und die Physiotherapie drehte sich Leon mit 6 Monaten. Mit 9 Monaten fing er an zu Robben und jetzt mit 1 Jahr steht er schon selbständig und kann auch selbständig sitzen.

Wenn man nicht weiß, dass er einen Schlaganfall bei der Geburt hatte, würde man ihm das nicht ansehen.
Wie es mit ihm weiter geht, wird die Zeit zeigen. Aber wir sind alle für ihn da und wir sind dankbar, dass wir so eine tolle Unterstützung von der Familie und von Freunden bekommen.

(Stand 02/2021)